11/30/2011

KUPFER



Ich habe mir bereits etwa 17 mal die Haare radikal umgefärbt, 6 mal aus modischen Gründen, 2 mal schreibe ich der Rettung einer widerum verpfuschten Farbaktion der ersten 6 mal zu und die restlichen Male DEM Grund der Haarveränderung: einer Trennung, einer Schieflage oder schlicht - einem Neuanfang.
Der oberflächliche Betrachter mag jetzt denken, selbst Serena van der Woodsen sollte mehr emotionale Stabilität zugesprochen werden, als einer Frau, die Lebensentscheidungen mit Wasserstoffperoxid und künstlichen Pigmenten unterstreicht - und obwohl ich ihm zu einem gewissen Grad Recht geben möchte - komme ich nicht umhin ihm zu sagen: es ist gar nicht so sehr die Farbe an sich. Es ist der ungewohnte Blick in den Spiegel.
Es geht darum etwas Reines, etwas Neues und Unbehaftetes an sich zu haben.

 Schon als Kinder greifen wir, wenn wir uns vermalen lieber zu einem neuen Blatt, anstatt den Makel zu aktzeptieren und weiterhin unsere Energie in dieses Bunstiftgemälde zu stecken. Wer kann - fängt neu an, und wer genug Papier hat, kann hundert mal neu anfangen, ohne darüber nachdenken zu müssen.
Je älter wir werden, desto schwie
riger wird es - neu anzufangen. Eine Haarfrisur hilft wie ein Pflaster, je schlimmer der Schmerz, desto größer muss das Pflaster sein. Eine Schaumtönung bei verpatzten Klausuren - Intensiv-Tönungen bei Seinskrisen. Aber jedes Pflaster verdeckt nur, was wirklich heilen muss. Die Blätter die wir neu anfangen können, werden je älter wir werden weniger und irgendwann sind sie ganz aufgebraucht. Wir können den Schmerz nicht mehr einfach zerknüllen oder wegfärben, nicht einfach so die Seiten herausreißen und ein völlig neues Kapitel anfangen, weil noch genug Platz übrig ist. Irgenwann muss man sich ihm stellen - oder - ihn ignorieren?
Aber es gibt auch den anderen, den man nicht ignorieren kann. Einen so heftigenSchmerz, der alles andere verdrängt. Der die ganze Welt in sich grau und taub werden lässt, sodass nichts anderes mehr wargenommen wird, außer wie weh es tut. Wie wir mit unserem Schmerz umgehen, liegt an uns. Betäuben. Radieren. Löschen. Einfach so oft Apfel-Z drücken bis es vielleicht auch irgendwann non-virtuell funktioniert. Neue Datei, egal welches Format, egal welche Einstellungen, doch einfach nur NEU! Ohne Erfolg. Denn Schmerz, echter Schmerz, lässt sich nicht irgendwo in irgendeinem Eisfach verbannen, wie eine Telefonrechnung. Er ist immer  - irgendwo - da und bingt uns so dazu uns wie Idioten zu benehmen. Es gibt kein Rezept, keine einfache Lösung. 

Wir müssen uns unseren Schmerzen stellen. Denn das Leben - bringt ständig neuen Schmerz-

Und igendwann, ist es dann am 28.11.2011 genau 23:30 Uhr.
Ich bin auf der Autobahn. Ich komme vom Friseur.
Nur sind meine Haare nicht "neu", musste ich sie nicht radikal färben oder schneiden.
Ich habe sie nur intensivieren lassen. Weil ich das, wofür sie stehen, noch intensiver wahrnehmen will.
Den Neunfang, den letzen, den ich gemacht habe.
Den, den ich nicht versaut habe, den den ich nicht überfärben muss.
Ich brauche kein neues Blatt.
Ich male jetzt aus.

PS: Ein besseres Haar-Foto habe ich leider noch nicht, ich habs das hier heute Morgen schnell vor der Arbeit gemacht :)

10 Kommentare:

  1. Wiedermal so ein toller Text.
    Und du hast einfach so sehr Recht damit!
    Ich hab mir bestimmt auch schon 30 Mal die Haare färben lassen und bin nach einiger Zeit immer unzufrieden.

    Du bringst mit deinen Worten die Gedanken auf den Punkt, die hinter einer jeden Umfärbung stecken.

    Obwohl ich mich irgendwann mal dazu entschlossen habe, mich den Jahreszeiten anzupassen.
    Im Sommer bin ich blond und im Winter werd ich brünett. Das mach ich schon seit Jahren und dieses Jahr muss ich bald wieder hin und mir die Haare braun färben zu lassen. Oder soll ich es mal wagen, etwas anders zu machen, als sonst!? :-)

    Ich liebe deine Haarfarbe eh total, das ist doch natur, oder? (Bitte zerstöre nicht meinen Traum!) :-)
    Das Bild ist wiedereinmal super schön und ich finde, man sieht schon, dass die Farbe intensiver ist als vorher, sehr hübsch!! <3

    Allerliebste Grüße
    Anna

    AntwortenLöschen
  2. es gibt so viele menschen, die schreiben, doch die meisten tun das nur mit ihrem kopf. du schreibst mit deiner seele und wer nicht nur mit den augen liest und dem gehirn versteht, der merkt das auch

    ich mag den vergleich mit dem kind. und das foto auch

    'Leben ist Zeichnen ohne Radiergummi'

    xoxo, mary

    AntwortenLöschen
  3. Mal wieder ein sehr schöner Text, und wie Recht du damit hast. Allerdings habe ich nie das Bedürfnis, nach einem bestimmten Ereignis meine Haare umfärben will. Es ist eher so, dass sie mir irgendwann nicht mehr gefallen und mich meine derzeitige Haarfarbe langweilt und ich lieber was anderes hätte. Aus diesem Grund waren sie vor 2 Jahren dann mal braun - danach war ich so todunglücklich, dass ich nach 3 langen Wochen wieder zum Blondieren zum Friseur bin. Man kann´s mir manchmal nie Recht machen, erst will ich was unbedingt, und dann hab ich es, und fand das alte doch besser.

    Aber mal eine Frage: Wie machen deine Haare das mit? War heute beim Friseur zum Spitzenschneiden, und die sagte, meine Haare wären kaputt. Anscheinend nur, weil ich letztens meine Haare mit selbst färbte und nicht beim Friseur war. Hast du einen Tipp für so tolle Haare wie deine? :)

    AntwortenLöschen
  4. also entweder schreibst du ein buch oder...du schreibst ein buch.
    weil ich dich gerne im bücherregal stehen haben möchte :)

    AntwortenLöschen
  5. es sieht toll aus und du hast das wunderbar geschrieben!
    kann das mit dem buch nur bestätigen :D

    AntwortenLöschen
  6. wie recht du hast! Mal wieder ein ganz zauberhafter, berührender Text :)

    AntwortenLöschen
  7. blogaward für dich :)
    http://andkissesburnlikefire.blogspot.com/2011/11/und-mein-stolz-geht-vor-dir-auf-die.html

    AntwortenLöschen
  8. Puh, was und wie du schreibst, haut mich einfach immer wieder um!
    Ich wünsche dir nur das Beste, bei allem. Du kommst so unglaublich sympathisch rein!
    Alles Liebe für dich! ♥

    AntwortenLöschen
  9. Danke für deine Antwort bezüglich meiner Frage zu deinen Haaren :)
    Ja ich weiß, Pflege Pflege Pflege, ich hör´s immer wieder, ich sollte wohl wirklich mal Öl in meine Haare schmieren - hab´s mir so oft vorgenommen, aber da ich in letzter Zeit morgens meine Haare wasche, hab ich dazu dann gar keine Zeit.
    Welches Shampoo benutzt du denn?
    Und meinst du mit Öl jetzt Olivenöl? :)
    Aber wie machst du es, dass sie trotzdem so lang werden? Bei mir brechen sie dann nämlich ab :( Wie deprimierend.

    AntwortenLöschen

Sag was!

Du kannst deine Antwort hier posten oder mir via mail@linamallon.de schreiben. Ich freu mich auf deine Worte!

Positionierungen, Anregungen und auch Kritik sind super!
Allerdings macht – wie immer im Leben – der Ton die Musik.
Beleidigungen und Anschuldigungen gegen mich oder meine Leser gehören sich nicht und werden kommentarlos gelöscht. Heiratsanträge, sind natürlich weiterhin willkommen!

Lina Mallon. Powered by Blogger.